Eine Frage der Formulierung

Zu viele Männer oder zu wenige Frauen? - Neue Studie zeigt, dass die Art, wie das Geschlechtergefälle dargestellt wird, die Wahrnehmung beeinflusst

Der prozentuale Anteil von Frauen und Männern in Führungspositionen ist auch im anbrechenden zweiten Viertel dieses Jahrhunderts immer noch nicht mal annähernd gleich. Diese Kluft zwischen den Geschlechtern in leitenden Ämtern findet sich quasi überall: in der Regierung, in der Wirtschaft, im Hochschulwesen und beim Militär. Einzig das Bewusstsein darüber hat sich verändert: So ist inzwischen einer Mehrheit klar, dass Frauen in oberen Positionen unzureichend vertreten sind. Auch die Medien berichten häufig über die Unterrepräsentation von Frauen, und trotzdem besteht sie weiter.

Im Wissen darum, dass die Berichterstattung Meinungen und die Förderung von Maßnahmen beeinflussen kann, untersuchte ein amerikanisches Team von Psycholog:innen nun, wie genau über den Gender Gap berichtet wird. Sie fanden heraus, dass es einen Unterschied macht, ob in der Darstellung dieses Geschlechtergefälles von der „Überrepräsentation von Männern“ gesprochen wird oder von der „Unterrepräsentation von Frauen“. In mehreren experimentellen Studien ließen sie die Teilnehmer:innen fingierte Nachrichtenartikel lesen, die auf realen Daten über das Geschlechtergefälle in der Politik und in der Wirtschaft beruhten. Die Artikel wurden so manipuliert, dass sie die Kluft entweder als Unterrepräsentation von Frauen oder als Überrepräsentation von Männern dargestellt wurde, wobei die zugrunde liegenden Fakten konstant blieben.

Anschließend wurden die Reaktionen der Teilnehmer:innen unter jeder Bedingung gemessen. Dazu gehörten die geäußerte Wut über das Geschlechtergefälle in Wirtschaft und Politik sowie die Bereitschaft, ein Bundesgesetz zu unterstützen, das zum Zeitpunkt der Studie durch die Kongressausschüsse im Senat ging. Die Teilnehmer:innen hatten auch die Möglichkeit, einen Brief an ihre:n Kongressabgeordnete:n zu schreiben, in dem sie ihre Reaktion auf das Gesetz darlegten.

Die Forscher:innen maßen auch, wie bereit die Teilnehmenden waren, gegen diese Ungleichheit anzugehen - zum Beispiel durch das Verfassen von Beiträgen in sozialen Medien, durch das Ergreifen von Maßnahmen trotz eigener möglicher Nachteile oder durch Spenden für bestimmte Programme. Darüber hinaus hatten die Teilnehmer:innen die Möglichkeit, einen Artikel zu lesen, in dem über Wege berichtet wurde, die zur zur Verringerung der geschlechtsspezifischen Ungleichheit in Führungspositionen beitragen. Mithilfe dieser Methode sollte das Interesse an diesem Thema gemessen werden.

Ergebnisse

Die fiktiven Artikel, in denen das Geschlechtergefälle als Überrepräsentation von Männern in politischen Führungspositionen dargestellt wurde, lösten bei den Frauen mehr Wut über die Ungleichheit aus als diejenigen, in denen das Gefälle als Unterrepräsentation von Frauen dargestellt wurde. Bei den Männern trat dieser Effekt jedoch nicht auf. Interessanterweise bezog sich die Wut aber sowohl bei Frauen als auch bei Männern nur auf die Geschichten über Führungspositionen in der Politik. Handelte es sich um einen Wirtschaftskontext blieb die Reaktion dagegen aus.

Darüber hinaus zeigten die Ergebnisse, dass die Wut über die Ungleichheit die Frauen dazu veranlasste, etwas dagegen zu unternehmen. Die Teilnehmerinnen lasen zum Beispiel häufiger Artikel darüber, wie man den Status quo ändern kann, sie schrieben mehr Briefe an ihre Kongressabgeordneten, um Gesetzesvorschläge zu unterstützen und äußerten öfter den Wunsch, für Programme zur Verringerung der Geschlechterdiskrepanz zu spenden.

„Viele Menschen reagieren emotionaler auf die Formulierung 'Überrepräsentation von Männern' - auch wenn die Statistik dieselbe ist, z. B. dass nur 29 % des Kongresses weiblich und 71 % männlich ist." Allerdings betrifft das nur die Reaktion der Frauen, bei den Männern löst die Botschaft über die Ungleichheit keine Wut aus. Dennoch sehen die Autor:innen der Studie, so wie die New York University-Psychologieprofessorin Madeline Heilman, dass es die Gesamtergebnisse ermöglichen, ein seit langem bestehendes Problem anzugehen.

„Unsere Gesellschaft profitiert davon, wenn wir sowohl Frauen als auch Männer in Führungspositionen in Politik und Wirtschaft haben“, bemerkt Rachel Godsil, Professorin an der Rutgers Law School. „Es ist wichtig, dass wir alle darauf vertrauen können, dass niemand aufgrund seines Geschlechts von Führungspositionen ausgeschlossen wird.“

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Autorin / Autor: Redaktion/ Pressemitteilung - Stand: 6. Januar 2025