Online zwischen Trost und Rückzug
Studie: Immer mehr Privatinfos in sozialen Netzwerken – gleichzeitig wächst Bedürfnis nach Privatsphäre
Mal eben einen Rat zum vermasselten Beziehungsstart einholen, genauere Infos zu einem Referatsthema erhalten, Trost finden nach dem Streit mit der besten Freundin. Das sehen NutzerInnen von Sozialen Netzwerken zunehmend als echten Gewinn an, so das Ergebnis einer Studie des Lehrstuhls für Medienpsychologie der Universität Hohenheim. Um zu untersuchen, wie sich das Online-Verhalten der Gesellschaft verändert, ließen die Wissenschaftler um Prof. Dr. Sabine Trepte eine Gruppe von über 327 Facebook-, Twitter- und andere Netzwerkseiten-NutzerInnen zwei Jahre lang wiederholt befragen. Alle sechs Monate füllten die Teilnehmer einen speziellen Fragebogen aus.
Im Verlauf dieses Zeitraums zeigte sich, dass die Befragten immer freizügiger mit persönlichen Informationen von sich im Netz umgingen, gleichzeitig stieg aber auch der Anteil derer, die ein wachsendes Bedürfnis nach Privatsphäre und Rückzugsräumen äußerten.
Die Studienteilnehmer fanden die Forscher durch einen Aufruf auf Facebook und Studi-VZ, den damals führenden Netzwerken. Die Stichprobe sei daher nicht repräsentativ für die gesamte Gesellschaft, jedoch ein typisches Abbild von Online-Nutzern, so Prof. Dr. Trepte: „Das Durchschnittsalter liegt bei 26 Jahren mit einem Schwerpunkt auf jungen, gut ausgebildeten Teilnehmern. Ältere Menschen mit niedrigerem Bildungsniveau waren jedoch ebenfalls repräsentiert.“
*Reale Unterstützung*
Während der zweijährigen Untersuchung hätten sich Soziale Netzwerke nachweislich tiefer im Sozialleben der Testgruppe verankert und auch deren Verhaltensweise verändert: „Die Bereitschaft, auch online vor Freunden über sich selbst zu reden, ist in den untersuchten zwei Jahren stark gestiegen“, so Prof Dr. Trepte. „Der virtuelle Austausch bringt den Menschen ganz realen Nutzen. Sie holen sich zum Beispiel Rat und Trost im virtuellen Freundeskreis.“
*Offenere Menschen werden eher unterstützt*
Ein weiteres Ergebnis der Studie war, dass jene, die auch online authentisch auftreten, mehr soziale Unterstützung erhalten. „Diese Menschen sind insgesamt zufriedener mit ihrem Leben und haben eine generell positivere Gefühlslage“, berichtet die Studienleiterin. Allerdings sei die Selbstoffenbarung im Netz auch nicht ungefährlich: Diejenigen, die mehr persönliche Informationen auf ihrem Profil angegeben hatten, berichteten auch über mehr negative Erfahrungen im Netz. „Wer sich auf Internetseiten aktiv einbringt, kann auf der einen Seite positive Dinge wie soziale Unterstützung erfahren, auf der anderen Seite dadurch auch vereinzelt Rückschläge, Enttäuschungen oder Verletzungen erleben – hier funktioniert Online-Kommunikation wie Offline-Kommunikation.“
*Bedürfnis nach Rückzugsräumen steigt*
Gleichzeitig stellten die Wissenschaftler auch einen gegenläufigen Trend fest: Trotz zunehmender Offenheit äußerten immer mehr ein Bedürfnis nach Privatsphäre, beispielsweise durch unbeobachtete Rückzugsräume. „Um das Bedürfnis nach Privatsphäre zu messen, haben wir den Teilnehmern Testaussagen vorgelegt und gefragt, wie weit sie den Aussagen zustimmen. Dazu gehörten Sätze wie: ‚Mir ist es lieber, wenn andere Leute nur wenig über mich wissen’ oder ‚Ich brauche Zeit für mich allein, um mit mir selbst im Reinen zu sein’. Über die zwei Jahre zeigt sich der deutliche Trend, dass solche Rückzugsräume immer wichtiger werden. Dieses Phänomen durchzieht dabei das gesamte Privatleben“, berichtet Prof. Dr. Trepte.
*Generelles Lebensglück lässt sich durch virtuelle Netzwerke nicht steigern*
Deutlich sei auch, dass die verschiedenen Verhaltensweisen und Selbsteinschätzungen eng miteinander verknüpft seien. „Menschen, die authentisch auftreten, haben mehr sogenanntes Sozialkapital, eine höhere Lebenszufriedenheit und ein geringeres Bedürfnis nach Privatsphäre". Auf der anderen Seite stehe ein Menschentypus, der ungern Einblicke in seine Gefühlslage gibt, sich mehr Privatsphäre wünscht, aber auch weniger soziale Unterstützung erfährt und insgesamt eine negativere Gefühlslage vorweist“, resümiert Prof. Dr. Trepte. Unsere Beziehungs-Kommunikation verlagere sich immer mehr ins Netz. „Wir können hier eine Verschiebung feststellen: Die Selbstoffenbarung im Netz steigt, die Studienteilnehmer finden online vermehrt soziale Unterstützung und bewerten diese zunehmend positiv. Als Ergebnis nimmt gleichzeitig das Sozialkapital aus Offline-Beziehungen leicht ab.“ Die Forscherin betont, dass es sich hierbei allerdings nur um eine Umschichtung handle: „Als wir die Nutzer fragten, wie zufrieden sie mit ihrem Leben insgesamt waren, konnten wir hier keine signifikante Veränderung feststellen“, so Prof. Dr. Trepte.
Vollständiger Bericht zur Studie
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Autorin / Autor: Redaktion /Pressemitteilung