Verräterische Likes
Schon 70 Likes sagen mehr über deine Persönlichkeit als ein Freund es könnte
Der Computer kennt dich besser als du denkst. Und besser, als so mancher von deinen FreundInnen. Vielleicht sogar besser als dein Schatz. Zu dieser erschreckenden Erkenntnis kommen Forscherinnen der University of Cambridge und der University of Stanford in einem Facebook-Experiment, das jetzt in der Fachzeitschrift PNAS beschrieben wird. Sie hatten verglichen, wer die Persönlichkeit eines Menschen besser einschätzen kann: Freundinnen? KollegInnen? Der Partner? Oder vielleicht doch der digitale Abdruck, den wir hinterlassen, wenn wir etwas "liken"?
*300 Likes toppen selbst den Ehepartner*
Die Forscherinnen entwickelten ein Modell, das die Persönlichkeit eines Menschen anhand von Facebook-Likes vorhersagen kann. Dabei erwies sich das Modell in vielen Fällen als treffsicherer als Freunde und sogar Familienangehörige. In der Studie reichten dem Computer bereits 10 Likes um Arbeitskollegen zu übertreffen, 70 genügten, um Freundinnen oder Mitbewohnerinnen auszustechen, 150 Likes übertrafen die Einschätzung von Familienmitgliedern und 300 Likes offenbarten so viel wie EhepartnerInnen wussten.
Da die meisten Facebook-Nutzerinnen durchschnittlich 227 Likes vergeben - Tendenz steigend - hat diese Form der Künstlichen Intelligenz das Zeug dazu, uns besser zu kennen als unsere engsten Mitmenschen, meinen die Forscherinnen.
Ihre Studie baut auf einer Arbeit aus 2013 auf, in der die Forscherinnen bereits eindrucksvoll gezeigt hatten, was Likes alles über unsere Persönlichkeit verraten.
In der aktuellen Studie hatten die Forscherinnen die Daten von 86.220 freiwilligen Testpersonen ausgewertet, die Zugriff auf ihre Likes gewährt hatten und außerdem über eine spezielle App Persönlichkeitstests abgegeben hatten. Außerdem wurden Freunde und Familienmitglieder eingeladen, Auskunft über die Persönlichkeit der Testpersonen zu geben. Für insgesamt 14.410 Personen konnten jeweils zwei Urteile von Freunden und Verwandten eingeholt werden, die dann mit den Vorhersagen des Computermodells abgeglichen werden konnten.
*Künstliche Intelligenz bei der Entscheidungsfindung heranziehen?*
Die Forscher betonen zwar, dass es so manche Dinge gibt, in denen Menschen dieser Form der Künstlichen Intelligenz überlegen sind, glauben aber, dass solche Datensätze sehr nützlich sein könnten, wenn wichtige Entscheidungen gefällt werden - etwa, wen man für einen Job einstellt oder welchen romantischen Partner man für sich wählt. Sie räumen jedoch ein, dass die Vorstellung, aufgrund unserer digitalen Spuren beurteilt zu werden auch gruselig ist und fordern darum, dass Konsumenten, Entwickler und die Politik dafür sorgen sollten, dass wir die Kontrolle über unsere persönlichen Daten stets behalten.
*Offener Brief zum Thema Künstliche Intelligenz von Stephen Hawking & Co.*
Wie stark Künstliche Intelligenz unser Leben bereichern, aber auch auf drastische Weise negativ beeinflussen kann, darauf haben unabhängig von dieser Studie jüngst zahlreiche renommierte Wissenschaftlerinnen in einem offenen Brief hingewiesen. Sie unterstreichen die riesigen Fortschritte, die die Menschheit mit diesem Produkt ihrer eigenen Intelligenz gemacht hat, warnen aber auch vor den Abgründen, die sich durch diese Technologien auftun können. Ein Fokus müsse in der Forschung darauf liegen, dass Künstliche Intelligenz auch nur das tut, was wir von ihr wollen, und sich nicht verselbständigt.
Schließlich wollt auch ihr vermutlich eure PartnerInnen, MitbewohnerInnen oder ArbeitskollegInnen weiterhin - und sei es ganz irrational - selbst aussuchen auch wenn irgendwelche Algorithmen angeblich viel besser wissen, was gut für euch wäre.
Quelle:
Mehr zum Thema auf LizzyNet
Autorin / Autor: Redaktion / - Stand: 13. Januar 2015