Ich sehe, dass Deutschland im EM-Finale steht ...

Wissenschaftler aus Köln und Frankfurt simulieren den Verlauf der Fußball-EM

Fußball

Könnt ihr euch noch an Krake Paul erinnern? 2010 hat Paul bei der Fußball-WM in Südafrika alle sieben Spiele der deutschen Mannschaft und auch das Finale zwischen Spanien und den Niederlanden richtig vorhergesagt und wurde damit zum Star. Da kommt wohl so schnell kein anderes Orakel ran. Trotzdem versuchen es selbsternannte Wahrsager_innen, zum Orakeln gezwungene Elefanten, Enten oder Rennmäuse alle zwei Jahre wieder. Auch manche Forscher_innen und Statistiker_innen haben anscheinend Spaß daran vorherzusagen, was eigentlich kaum vorherzusagen ist.

Wenn es so kommt, wie es Wissenschaftler der International School of Management (ISM) in Frankfurt und der Fachhochschule des Mittelstands (FHM) in Köln errechnet haben, stehen uns bei der EURO 2016 in Frankreich ein Endspielklassiker und einige Überraschungen bevor. Demnach schafft es Polen bis ins Halbfinale, während sich Spanien und Italien ins Achtelfinale zittern müssen. Auch Österreich kann jubeln: Der Einzug ins Viertelfinale ist ein Riesenerfolg. Während England den vermutlich leichteren Weg ins Endspiel hat, warten auf Deutschland die richtig schweren Brocken. 

Prof. Dr. Michael Groll von der FHM in Köln und Prof. Dr. Bernd Giezek von der ISM in Frankfurt haben in einem (nach eigenen Angaben) seit mehreren großen Fußballturnieren bewährten Modell den möglichen Verlauf der Fußball-Europameisterschaft prognostiziert. Zunächst wurde durch statistische Berechnungen eine Rangfolge der teilnehmenden Mannschaften ermittelt. Bei der anschließenden Simulation anhand des EM-Spielplans wurden zusätzliche Sondereffekte und Zufallsfaktoren einbezogen und eine Plausibilitätsprüfung durchgeführt. Die statistische Berechnung berücksichtigte verschiedene Messgrößen: den Marktwert der Mannschaften, den Koeffizient in der UEFA-Rangliste und die geschossenen Tore in der EM-Qualifikation. Daraus ergibt sich eine Rangliste der aussichtsreichsten EM-Teilnehmer. Die stärksten zehn Teams sind demnach Deutschland, Spanien, Frankreich, England, Belgien, Italien, Portugal, Kroatien, Russland und die Türkei. Der höhere Wert entscheidet über den Favoritenstatus in den jeweiligen Partien.

Die Prognosen

Die Vorrunde: Erschwert wird die diesjährige EM-Prognose durch den neuen Austragungsmodus, durch den auch die vier besten Gruppendritten den Sprung ins Vierteilfinale schaffen. Die Prognosen für den Ausgang der Vorrunde ergeben mindestens zwei ganz dicke Überraschungen.

  • In Gruppe A sind Frankreich und die Schweiz erfolgreich, Rumänien wird nicht als einer der besten Gruppendritten in das Achtelfinale kommen und ebenso die Heimreise antreten wie die albanische Nationalelf.
  • Gruppe B wird von England und Russland dominiert. Der Slowakei helfen die guten Ergebnisse in der Vorbereitung, sodass sie sich mit Selbstvertrauen und guter Defensivarbeit für das Achtelfinale qualifiziert.
  • In Gruppe C kommt Deutschland sicher weiter, obwohl Polen ein hartnäckiger Gegner ist. Die Ukraine behält gegenüber Nordirland die Oberhand und zieht ins Achtelfinale ein.
  • In Gruppe D sehen die bemühten Tschechen kein Land. Die Spanier retten sich auf Platz 2 und auch die Türkei darf auf ein Weiterkommen als bester Gruppendritter hoffen. Kroatien ist sicher im Viertelfinale.
  • In Gruppe E kündigt sich die große Überraschung an: Italien zittert sich ins Achtelfinale! Belgien kommt locker weiter, während Irland den Gruppengegnern zusieht, wie sie ins Achtelfinale kommen.
  • Portugal und Österreich kommen in Gruppe F erwartungsgemäß eine Runde weiter. Ungarn und Island werden nach der Vorrunde die EM nicht weiter bereichern.
  • Die KO-Spiele: Im Achtelfinale übt Deutschland Revanche für die 1:3 Testspielniederlage gegen die Slowakei. Auch die weiteren Favoriten Belgien und Frankreich kommen weiter. Kroatien, Polen, Portugal, England und Österreich qualifizieren sich ebenfalls für das Viertelfinale. Italien und Spanien werden dagegen spätestens jetzt die Segel streichen, ebenso wie Russland, Ukraine, Schweden und die Türkei.
  • Im Viertelfinale dominiert die polnische Mannschaft klar gegenüber Kroatien und genießt spätestens jetzt im Heimatland Heldenstatus. Deutschland bezwingt den schweren Gegner Belgien, während England Portugal besiegt und Frankreich Österreich nach Hause schickt.
  • Polen gegen England und Deutschland gegen Frankreich heißen somit die Halbfinalbegegnungen laut den Wissenschaftlern Groll und Giezek. Auch hier haben die Deutschen wieder das schwerere Spiel, aber das Glück auf ihrer Seite.
  • Im Endspiel wartet England auf Deutschland und spätestens dann hoffen wir erneut auf die Weisheit von Gary Lineker: „Fußball ist ein einfaches Spiel: 22 Männer jagen 90 Minuten lang einem Ball nach, und am Ende gewinnen immer die Deutschen.“

Hintergrund zur EM-Prognose und „Unvorhergesehenes“

Wenn es allein nach objektiven Faktoren ginge, wäre der Ausgang der EM wenig überraschend: Die vier stärksten Mannschaften kämen ins Halbfinale, in dem Spanien gegen England und Deutschland gegen Frankreich gewännen. Aber Fußball wäre nicht so spannend, wenn es nur Favoritensiege geben würde. Der Reiz besteht bei komplexen Spielsituationen gerade darin, dass unvorhergesehene Dinge passieren. Glück und Pech, falsche Schiedsrichterentscheidungen, Pfosten- und Lattentreffer sowie Verletzungen sind nicht zu steuernde Parameter. Nicht zuletzt entscheidet oftmals die Tagesform der Spieler, welche als Abweichung vom geschätzten Qualitätspotenzial verstanden wird, über Sieg oder Niederlage.

Der neue Austragungsmodus bedingt, dass bei gut einem Drittel der insgesamt 36 Partien der EM-Vorrunde Favoriten auf Underdogs treffen und die restlichen zwei Drittel Spiele sind, in denen die Spielstärke der beteiligten Mannschaften nah beieinanderliegt. In beiden Spielpaarungstypen wird es einige Ergebnisse geben, bei denen entweder Tagesform und Glück den Ausschlag für das nicht-favorisierte Team geben oder die schlicht als Überraschung angesehen werden müssen.

Sowohl bei der letzten Weltmeisterschaft als auch bei der Europameisterschaft 2012 in Polen und der Ukraine gab es einige dieser Spielausgänge. Von der WM 2014 sind vor allem noch das prognostizierte Ausscheiden der spanischen Nationalmannschaft in der Vorrunde und natürlich das 7:1 Deutschlands gegen Brasilien in Erinnerung. Die letzte EM 2012 war geprägt vom Ausscheiden Deutschlands gegen Italien und vom ebenfalls vorhergesagten Ausscheiden der Niederlande nach der Vorrunde. Für die bevorstehende EM erwarten Groll und Giezek wieder überraschende Ergebnisse, die das Weiterkommen eigentlich stärkerer Teams in Frage stellen. Da der Faktor „Unvorhergesehenes“ eben nicht beeinflusst oder gesteuert werden kann und vor allem eins, nämlich nicht vorherzusehen ist, beruht ihre Prognose nicht nur auf statistischen Berechnungen, sondern auch auf kritischer Analyse der allen Fans zur Verfügung stehenden Informationen bezüglich Verletzungen, Nichtnominierungen, taktischer Ausrichtung und allgemeiner Formkurve der antretenden Mannschaften.

Quelle

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Autorin / Autor: Redaktion/ Pressemitteilung - Stand: 9. Juni 2016