Unterricht in Corona-Zeiten
Bildungsforscher geben Hinweise wie Lernerfahrungen auch unter Pandemiebedingungen gelingen können
In diversen Befragungen zum Lernen während der Schulschließungen in der Coronazeit bemängelten viele Schüler_innen, sich nicht ausreichend von ihren Lehrkräften unterstützt gefühlt zu haben. Auch Eltern und Lehrkräfte litten unter der Befürchtung, dass die Lern-Motivation durch das Zuhausesein sinken könnte. Um nicht wieder in diese Situation hinein zu schliddern, geben nun zwei Bildungsforscher Empfehlungen für Lehrer_innen ab, damit das nächste Homeschooling erfolgreicher wird als das erste.
Nach den Erkenntnissen von Prof. Dr. Thamar Voss und Prof. Dr. Jörg Wittwer vom Institut für Erziehungswissenschaft der Universität Freiburg können Lehrer_innen nämlich maßgeblich dazu beitragen, dass ihre Schüler_innen auch im häuslichen Umfeld effektiv lernen. Besonders wichtig seien dabei klare Lernziele, die vorgeben, was die Schüler_innen nach einer Lerneinheit können sollen. Materialien und Übungsaufgaben müssten dann auf diese Ziele hin ausgerichtet werden.
Motivierend wirke außerdem, wenn Aufgaben und Arbeitsblätter so gestaltet seien, dass man darin erkennen könne, welchen Nutzen die Lerninhalte für die persönliche Lebenswelt hätten. So würden Beispiele in Erklärungen helfen, abstrakte Konzepte besser zu verstehen. Eine aktive Auseinandersetzung mit dem Stoff könne beispielsweise erfolgen, wenn die Schüler_innen ihn visualisieren, ein Lerntagebuch führen oder sich Inhalte gegenseitig erklären. Überhaupt förderten Formen der Gruppenarbeit die Motivation.
Die Bildungsforscher mahnen die Lehrkräfte darüber hinaus, dass sie die Schüler_innen beim Lernen konstruktiv unterstützen. Zum Beispiel mit gut strukturierten Tages- und Wochenplänen oder direkten Rückmeldungen zu den Lernergebnissen, etwa in Form von Musterlösungen oder individuellem Feedback. Ebenso sollten auch die Eltern über ihre Rolle informiert werden: Sie sollten zwar ansprechbar bei Problemen sein, zugleich jedoch nicht zu viel eingreifen und kontrollieren, so Voss und Wittwer. "Denn je weniger Fragen bei den Schüler_innen offen bleiben, desto weniger ist elterliche Unterstützung notwendig. Daher ist eine sorgfältige Planung auch ein wichtiger Hebel, um zu verhindern, dass die Leistungsschere zwischen Schülerinnen und Schülern unter Pandemiebedingungen weiter auseinander geht", so die Wissenschaftler.
Zum Thema Digitalisierung führen Voss und Wittwer aus, dass Lehrkräfte digitale Werkzeuge didaktisch sinnvoll einsetzen sollten, um das Lernen der Schüler_innen zu fördern. Sie könnten zum Beispiel dazu genutzt werden, um Erklärungen multimedial zu gestalten. Aber auch Schüler_innen können digitale Werkzeuge einsetzen, um sich mit neuen Lerninhalten vertieft auseinanderzusetzen (z. B. Visualisierungen auf Tablet erstellen), Übungsaufgaben zu bearbeiten (z. B. Online-Testaufgaben bearbeiten) oder über das Lernen zu reflektieren (z. B. digitales Lerntagebuch schreiben). Die erstellten Produkte könnten Lehrkräfte dann einsehen, um Schüler_innen Rückmeldung über ihr Lernen zu geben.
Die Bildungsforscher sind aber überzeugt, dass die durch Corona entstandene Ausnahmesituation langfristig eine Chance für das Bildungssystem werde könnte. Wenn es dadurch vermehrt zur Lehr- und Lern-Forschung unter Pandemiebedingungen komme, könnten innovative Lernmaterialien und Lernsettings für individuelle Lernphasen entstehen, die in besonderem Maße den individuellen Bedürfnissen von Schüler_innen-Gruppen gerecht werden könnten. Wirksame digitale Lerntools sowie strukturierte analoge Formen des individuellen Lernens außerhalb des Klassenverbandes könnten so dauerhaft den regulären Unterricht im Klassenzimmer anreichern.
Ihre Ergebnisse haben sie in der Fachzeitschrift „Unterrichtswissenschaft“ veröffentlicht.
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