Nachhaltige Fasern?

Die Modeindustrie gilt als einer der größten Umweltsünder. Können nachhaltige Fasern Mode umweltverträglicher machen?

Der Baumwollanbau verschlingt Unmengen Wasser, synthetische Fasern basieren auf Erdöl und sind nicht biologisch abbaubar, Wolle und Seide verursachen Tierleid. Alternative Materialien sind darum gefragt. Hanf und Leinen gelten als vergleichsweise umweltfreundliche Alternativen zu herkömmlichen Fasern. Aber es gibt auch noch andere Ideen. Hier stellen wir euch einige vor.

Piñatex ("Ananasleder")

Piñatex ist die geschützte Markenbezeichnung für eine vegane Lederalternative der Erfinderin Dr. Carmen Hijosa. Während herkömmliches Kunstleder meist ein mit Kunststoff beschichteter Stoff ist, wird das "Fruchtleder" aus Ananas-Blättern gewonnen, die bei der Ernte als Abfälle anfallen. Es werden also keine extra Anbauflächen für die Produktion benötigt (wahrscheinlich aber auch, weil die Nachfrage sich noch in Grenzen hält).

Mit Polymilchsäure versetzt, bilden die getrockneten und gereinigten Blätter einen filzartigen Teppich, welcher dann die Grundlage der Ananasleder-Produkte ist und gefärbt und eventuell zur besseren Haltbarkeit mit Harz beschichtet werden kann.
Ananasleder ist biologisch abbaubar, ressourcenschonend und auch preiswerter als echtes Leder und wesentlich umweltfreundlicher als herkömmliches Kunstleder. Ob es ebenso haltbar und langlebig ist wie echtes Leder, darf allerdings bezweifelt werden.

Und was ist mit...

QMILK® Milchfaser - natürlich, aber nicht vegan

100% natürlich, seidenweich und hautpflegend - so wirbt der Hersteller für seine neuartige QMILK-Faser, eine Proteinfaser, die aus nicht mehr verzehrbarer Milch gewonnen wird.
Die QMILK® Milchfaser kann mit anderen Materialien kombiniert werden und soll deren Eigenschaften dann auf natürlichste Weise verbessern, ohne dass umweltschädliche Chemikalien oder Kunststoffe zum Einsatz kommen müssen.

Kritisch könnte man sehen, dass die Haltung von Kühen als besonders klimaschädlich gilt und eine Milchfaser nun nicht gerade die Klimaschutzmedaille verdient hat. Immerhin werden bei QMILK® lediglich Abfälle aus der Milchproduktion verwendet, die ansonsten entsorgt werden würden. Eigenen Angaben zufolge stammen die bei QMILK® verwendeten Rohstoffe aus ökologischer Tierhaltung. Vegan ist diese Faser natürlich nicht.

TENCEL™ Lyocell

TENCEL™ Lyocellfasern sind ein Produkt des österreichischen Hersteller Lenzing. Sie werden aus Holz, also einem nachwachsenden Rohstoff gewonnen. Sie gilt als "Chemiefaser", weil sie in einem chemischen Prozess zu dem wird, was sie ist, sie ist aber biologisch abbaubar. Weil - anders als bei der ebenfalls aus Holz bestehenden Viskose - ein umweltfreundliches Lösungsmittel eingesetzt wird, das in einem geschlossenen Herstellungsprozess auch immer wiederverwendet wird, gelten Lyocellfasern als vergleichsweise nachhaltig.
Natürlich wird in dem Prozess aus Holz einen weichen Stoff zu produzieren auch Wasser und Energie nötig. Dies soll aber deutlich geringer sein als bei der Produktion von Viskose.
Als Basis dient Eukalyptus-Holz. Der Anbau in Monokulturen ist nicht sehr umweltverträglich und kann das Grundwasser sinken lassen, auch sind die Transportwege oft lang. Insgesamt schneidet Tencel im Vergleich zu anderen Textilfasern aber recht gut ab und hat zudem wirklich tolle Eigenschaften: er ist glatt, kühlend, hautfreundlich, atmungsaktiv, knitterarm und nimmt Feuchtigkeit gut auf und gibt sie wieder ab.

SeaCell™

SeaCell™ ist ein Produkt der smartfiber AG. Der Hersteller wirbt damit, dass die Faser in einem energiesparenden und ressourcenschonenden Verfahren ausschließlich aus Cellulose und Algen hergestellt werde und vollständig biologisch abbaubar sei. Dabei soll die Algenzugabe sogar zur Linderung von Hautkrankheiten und Juckreiz beitragen. Die verwendeten Algen sollen ausschließlich aus isländischen Fjorden stammen. Auf der Herstellerseite klingt das ganze eher nach einem medizinischen Produkt (Mineralien, Vitamine, Vitalstoffe, Abwehr von freien Radikalen usw.). Die Faser ist aber im Prinzip eine Lyocellfaser mit Algenzusatz. Dennoch sind auch hier die Verfahren, um aus Holz und Algen einen seidig glatten Stoff herzustellen energie- und wasseraufwändig, und der Einsatz von Chemikalien ist erforderlich. Sofern das Holz aus nachhaltiger Forstwirtschaft stammt, kann diese Faser aber durchaus eine nachhaltige Alternative zu Baumwolle und Kunstfasern sein.

Orange Fiber

Der italienische Hersteller von Orange Fiber verwendet Abfälle aus der Produktion von Zitrusfrüchten (Blätter und Schalen), um daraus Zellulose zu gewinnen. In Italien, wo Zitrusfrüchte in großem Stil angebaut werden, ist dieser Rohstoff massenweise vorhanden. Orange Fiber wird auch in Zusammenarbeit mit dem Lyocell-Hersteller Lenzing zu einem Orangen-Holz-Gemisch verarbeitet: Stoffe, die aus Holz und Orange bestehen, klingt lecker und ist im Prinzip auch nachhaltig, da die Orangenreste ohnehin als Abfälle anfallen, die ansonsten teuer entsorgt werden müssten. Und die Faser ist schlussendlich biologisch abbaubar.

Re:newcell: CIRCULOSE®

Das schwedische Startup Re:newcell hat einen Ansatz für Baumwollrecycling gefunden. Lange Zeit galt Baumwolle als nicht recyclebar, denn Fasern, die von einem getragenen Baumwollkleidungsstück nach dem Vorbereitungsprozess fürs Recycling übrigbleiben, sind viel zu kurz, um daraus wieder neue Garne zu machen. Daher wurden aus Alttextilien bisher meist nur Putzlappen hergestellt. Doch der ebenso beliebte wie in der Produktion wasserintensive Baumwollstoff ist viel zu kostbar, um ihn einfach wegzuschmeißen. Mit einem neuen Verfahren wird recycelte Baumwolle zu Zellstoffplatten verarbeitet. Aus diesen kann dann in einem chemischen Prozess ein neuer Faden gesponnen werden, der zu 100% aus Cellulose besteht und anderen sogenannten Regeneratfasern (z.B. Modal, Viskose, Lyocell) ähnelt. Das Unternehmen nennt die Faser Circulose®.
Circulose® wurde 2020 erstmals von H&M in einer Kollektion verwendet. Auch Levis setzt bei einigen Jeansmodellen auf den neuartigen Stoff. Dass große Marken dieses Material nutzen, zeigt, dass es grundsätzlich auch im großen Stil produziert werden könnte. Wie umweltverträglich die chemischen Prozesse wirklich sind, wie hoch der Energieaufwand ist und inwieweit Circulose® die Modebranche nachhaltiger machen kann, muss im Laufe der Zeit noch genauer beleuchtet werden.

Guter Stil statt schnelle Trends

Ihr seht, es gibt bereits jede Menge Ansätze für nachhaltige Materialien. Erfreulicherweise setzen viele Erfinder_innen dabei auf Abfallprodukte - von Früchten, aus der Milch- oder der Tofu Produktion (Sojaseide) sowie auf schnellwachsende Rohstoffe wie Algen, Hanf und Bambus oder auf Abfälle und ausgemusterte Stoffe. Nachhaltigere Materialien lösen das Problem allerdings nur teilweise. Ein wirklich nachhaltiger Modestil kommt auch ohne exotische Materialien aus und lässt sich eigentlich mit nur zwei Worten beschreiben: weniger und länger. ;-)

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Autorin / Autor: Redaktion - Stand: 26. Januar 2022