Uhrzeigersinn macht weltoffen
Studie: Wie die Bewegungsrichtung unsere Entscheidungen beeinflusst
Im Uhrzeigersinn heißt: Es geht voran! Die Zeit schreitet fort, wenn der Sekundenzeiger sich vorwärts bewegt. Der Motor startet, wenn wir den Schlüssel rechtsherum drehen; die Musik wird lauter, wenn wir den Regler aufdrehen. Im Uhrzeigersinn ist fortschrittlich, der Zukunft zugewandt, offen für Neues. Umgekehrt steht „gegen den Uhrzeigersinn“ für eine gewissen Rückwärtsgewandtheit, einen Rückschritt, eine Hinwendung zur Vergangenheit, zum Alten, Bekannten, Vertrauten. Die Bewegungsrichtung kann sogar unsere Entscheidungen und unsere Persönlichkeit beeinflussen – selbst wenn es nur darum geht, Bonbons verschiedener Geschmacksrichtungen auszuwählen. Das haben Würzburger Psychologen in mehreren Experimenten herausgefunden.
*Alles Neu macht der Uhrzeigersinn*
Angeblich zur Belohnung für ihre Teilnahme an einer Reihe von Versuchen – die sie in Wahrheit nur zum Schein absolviert hatten – durften die TeilnehmerInnen sich aus einer Reihe von Bechern mit Bonbons unterschiedlichen Geschmacks bedienen. Diese Becher wurden auf einem drehbaren Tablett präsentiert, wie man sie manchmal in Restaurants am Büffet findet. Um die jeweilige Geschmacksrichtung lesen zu können, mussten die Versuchsteilnehmer das Tablett drehen – was jeweils nur in einer Richtung möglich war, mal im, mal gegen den Uhrzeigersinn.
Insgesamt 16 Geschmacksrichtungen waren auf der Scheibe vertreten. Acht davon waren eher gewöhnlich, so wie Apfel, Kirsche oder Zitrone. Acht andere Bonbons besaßen eher ungewöhnliche Aromen wie Popcorn, Marshmallow oder Melone. Fünf daraus sollten sich die TeilnehmerInnen nehmen. Dabei zeigte sich: „Wer die Scheibe im Uhrzeigersinn gedreht hatte, wählte häufiger die ungewöhnlichen neuen Sorten“, sagt Studienleiter Sascha Topolinski.
*An der Persönlichkeit drehen*
Die Drehrichtung im oder gegen den Uhrzeiger beeinflusst sogar die Persönlichkeit, unsere Vorlieben und Werte, wie die Psychologen in einem weiteren Experiment zeigten. Hier sollten 60 Freiwillige beim Kurbeldrehen ihre persönlichen Einstellungen und Vorlieben beschreiben: Sind sie eher weltoffen, tolerant und kreativ? Oder halten sie bevorzugt an althergebrachten und konservativen Werten fest? Das Ergebnis war eindeutig: „Es zeigte sich, dass Kurbeln im Uhrzeigersinn weltoffener und kreativer macht“, so Topolinski. Dies gelte sogar dann, wenn Menschen die Bewegung gar nicht selbst ausüben, sondern nur beispielsweise in Form sich drehender Vierecke dargeboten bekommen, wie die Psychologen in einem weiteren Experiment nachweisen konnten.
*Psychologische Konsequenzen*
Was auf den ersten Blick wie eine Spielerei aussieht, hat einen wichtigen Hintergrund: Psychologen erforschen auf diese Weise, wie kulturelle und technische Konventionen unbewusst unser Erleben und Empfinden beeinflussen können. So hat die Drehrichtung einer Bewegung an sich keinerlei Bedeutung für den Körper. Nur durch unseren tagtäglichen Umgang mit Uhren, Schaltern und Hebeln erhält sie die Bedeutung von Vergangenheit und Zukunft. „Unsere Erfahrung mit Technik bewirkt diesen Effekt: Disc Jockeys zeigen diese Effekte wahrscheinlich noch stärker, während wenig technisierte Kulturen durch Drehrichtung wohl kaum beeinflussbar sind“, vermutet Topolinski.
*Rechtsdrehend durch’s Leben*
Dass der Uhrzeigersinn Sinn macht, haben auch Unternehmen entdeckt. So drehen sich im Casino beispielsweise Glücksräder immer im Uhrzeigersinn. „Das macht die Spieler offener und lässt sie vielleicht riskanter spielen“, sagt der Psychologe. Topolinski hat noch mehr solcher Beispiele parat: „Achten Sie mal auf das ‚Ladesymbol’ im Internet, wenn sich eine neue Seite aufbaut. Das geschieht fast immer im Uhrzeigersinn“, sagt er. Das sei auch gut so, schließlich sind die Betrachter dann offener für die neue Information.
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Autorin / Autor: Pressemitteilung / Redaktion ; Bild: LizzyNet - Stand: September 2011