Ungläubig = unmoralisch?

Vorurteilsstudie: Atheist_innen wird eher zugetraut, sich unmoralisch zu verhalten

Brauchen Menschen Gott, eine Religion, einen Glauben, um sich moralisch zu verhalten? Das Gerücht hält sich hartnäckig, obwohl die Forschung schon häufig zeigen konnte, dass das moralische Empfinden des Menschen nicht von dem Glauben an eine höhere Macht abhängt. Religionen können zwar soziale Netzwerke stärken und kooperatives Verhalten fördern, aber sie sind auch veranwortlich für Ausgrenzung von Menschen, die nicht zu einer bestimmten religiösen Gruppe gehören, für religiös motivierte Gewalt und Vorurteilen gegenüber Nicht-Gläubigen. Eines dieser Vorurteile ist, dass Nicht-Gläubige, also Atheisten, sich weniger moralisch verhalten.

Forscher_innen um Will M. Gervais von der University of Kentucky haben nun in einer großen Studie untersucht, wie stark dieses Vorurteil in unterschiedlichen Kulturkreisen verbreitet ist. Sie befragten 3256 Menschen aus 13 verschiedenen Ländern auf 5 Kontinenten. Darunter waren eher säkular geprägte Länder wie die Niederlande, Tschechien oder China sowie Länder, in denen Religion eine große Rolle spielt (z.B. Indien, Arabische Emirate). Die Befragung wurde sowohl unter Buddhisten, Hindus, Christen, Muslimen und Atheisten durchgeführt.

Die Teilnehmer_innen der Studie sollten neben Angaben zu ihrem Glauben Fragen beantworten, die so gestaltet waren, dass darin Vorurteile sichtbar werden. So wurde ihnen etwa eine extrem unmoralische Person beschrieben, die Tiere quält, Serienmorde begeht und Menschen verstümmelt. Anschließend wurden sie beispielsweise gefragt, ob die beschriebene Person wahrscheinlicher ein Lehrer sei oder ein ungläubiger Lehrer (oder zum Vergleich: ein gläubiger Lehrer). Obwohl es rein logisch keinen Sinn macht, die zweite Antwort zu wählen (auch ein ungläubiger Lehrer ist ein Lehrer und damit ist A ja immer richtig), entschieden sich viele Teilnehmer_innen für eine intuitive Antwort, die aber auch ihre Vorurteile offen legte. Stand ein ungläubiger Lehrer zur Wahl, entschieden sie sich deutlich häufiger für ihn, während der gläubige Lehrer gut wegkam.

Erstaunlicherweise wurde diese Einschätzung nicht nur von religiösen Menschen getroffen, sondern auch von Atheisten selbst. Auch sie trauten einem ungläubigen Menschen eher schlimmes und unmoralisches Verhalten zu als gläubigen Menschen. Dabei ging es aber nicht um Unglauben an sich. Wer nicht an Horoskope, die Sicherheit von Impfungen oder an den Klimawandel glaubt, wurde nicht für moralisch fragwürdig empfunden. Allein, wer nicht an Gott oder Götter glaubte, erscheint ein gefährlicher Mensch.

In der Befragung wurde durch alle Glaubensrichtungen und in allen Kulturkreisen deutlich, dass Atheisten eher zugetraut wird, zu quälen und zu morden. Auch als die Forscher_innen das ganze mit kleineren Vergehen überprüften (z.B. nicht im Restaurant bezahlen), wurden Atheisten solche Taten eher zugetraut. Offenbar hat die Religion so tiefe Spuren in den Menschen hinterlassen, dass selbst ungläubige Menschen dem Vorurteil erliegen, dass ungläubige Menschen unmoralischer seien.

Die Forscher_innen schreiben, mit ihrer Studie zeige sich eine enorme Lücke zwischen dem, was Forschung heute über den Zusammenhang zwischen Religion und Moral weiß und dem, was Laien darüber denken.

Der Artikel ist in der Fachzeitschrift "nature human behaviour" erschienen.

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Autorin / Autor: Redaktion/ Pressemitteilung - Stand: 10. August 2017