Wenn's recht ist, sitze ich lieber allein
Forscherin erklärt den Verhaltenskodex im Bus
Bist du auch fast täglich mit Bus und Bahn unterwegs? Und hast du auch schon mal beobachtet, dass dort ganz eigene Verhaltensregeln gelten? Wenn nicht, macht das gar nichts, denn Esther Kim von der Yale University hat sich dieser Aufgabe angenommen. Über einen Zeitraum von drei Jahren ist sie immer wieder mit Überlandbussen durch die USA gefahren: von Connecticut nach New Mexico, von Colorado nach New York und von Texas nach Nevada und und und, stets mit dem Blick auf andere Fahrgäste und ihr Verhalten. Ihre Ziel: herauszufinden, welche ungeschriebenen Regeln im Fernreisebus gelten, welche Signale wir an andere senden, wenn wir eigentlich nur eines wollen: unsere Ruhe. Bahnbrechend sind die Ergebnisse nicht, aber sie bieten einen Grund zum Schmunzeln.
*Bleib mir fern*
Im Bus werden selbst die kontaktfreudigsten Menschen zu Alleingängern, berichtet Esther Kim. Eine typische Situation, die auch sie immer wieder beobachtet hat: man steigt in den Bus und in jeder Zweierreihe sitzt eine Person. Ein freundliches Lächeln und die Aufforderung „setzen Sie sich doch zu mir“ bekommt man von dieser in der Regel nicht entgegen gesetzt. Im Gegenteil: wenn einen als Zugestiegener zufällig der Blick der Fahrgäste trifft, ist dies meist ein genervter. Die meisten aber gucken angestrengt aus dem Fenster, hören Musik, lesen ein Buch oder tippen auf ihrem Handy herum. Meist hat zudem der Rucksack den Platz neben ihnen eingenommen, als wollten sie sagen „ist besetzt, sieht man doch!“. Welchen Platz nimmt man also, wenn man sich nicht die Füße wundstehen möchte? Erblickt man eine noch komplett freie Reihe, so ist die Entscheidung leicht. Sich dann neben jemanden zu setzen, würde eigenartig anmuten, berichtet die Forscherin im Magazin „Symbolic Interaction“.
Die beliebtesten Bleib-mir-vom-Halse-Taktiken, die Esther Kim beobachtet hat:
- Vermeide den Blickkontakt mit anderen Personen.
- Lehne dich gegen das Fenster und strecke die Beine aus.
- Stelle eine große Tasche auf den leeren Sitz neben dir.
- Platziere alternativ gleich mehrere Gegenstände auf den Nachbarsitz, so dass sich das Warten auf das Wegräumen für den Mitfahrer nicht lohnen würde.
- Setze dich auf den Gangplatz und stelle deinen MP3-Player so laut, dass du vortäuschen kannst, Leute nicht zu hören, die fragen, ob der Platz neben dir noch frei ist.
- Gucke mit starrem Blick aus dem Fenster, so dass du verrückt wirkst.
- Stelle dich schlafend.
- Wenn alles scheitert, lüge einfach, dass der Platz schon besetzt sei.
Die Spielregeln ändern sich, wenn der Bus so voll wird, dass das Alleinesitzen eh aussichtlos ist, erklärt die Forscherin. Die Sorgen verschieben sich von „wie bleibe ich alleine“ hin zu „bitte lass eine ‚normale‘ Person neben mir sitzen“. Dabei senden die Fahrgäste klare Signale aus. Denn wenn sich unbedingt jemand Fremdes neben sie setzen muss, dann doch bitte jemand, der nicht streng riecht, nicht bedrohlich wirkt oder sonst irgendwie nerven könnte.
Wenn man mehrere Stunden im Bus unterwegs ist, so sei die Hautfarbe, die soziale Stellung oder das Geschlecht einer Person eher unwichtig, schreibt die Forscherin. Es gehe alleine darum, ungestört und vor allem sicher ans Ziel zu kommen. Dabei verurteilt Esther Kim keineswegs dieses scheinbar unsoziale Verhalten der Fahrgäste. Bei einer längeren Busfahrt kommen einfach mehrere Faktoren zusammen, die uns von anderen Personen abwenden lassen: man ist eh nur auf der Durchreise, hinzu kommt die Angst vor der Enge, der fehlenden Privatsphäre, dass man die fremde Person, die in den Bus einsteigt, nicht einschätzen kann sowie oft auch körperliche Erschöpfung nach einem langen Arbeitstag.
Was die Forscherin in drei Jahren kilometerweiten Busfahrten herausgefunden hat, dürfte dem einen oder anderen bereits im Alltag aufgefallen sein. Doch wenn man aufmerksam genug ist, findet man garantiert auch erfreuliche Gegenbeipsiele. Warum nicht selbst einmal die unausgesprochenen Regeln über Bord werfen und den Zugestiegenen ein Lächeln und einen Sitzplatz anbieten?
Welche Verhaltensweisen sind dir schon positiv/negativ aufgefallen?
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Autorin / Autor: Redaktion/ Pressemitteilung - Stand: 9. August 2012