Wut im Bauch - Gewalt im Spiel
Uni-Studie: Aggressive Grundschüler bevorzugen brutale Computerspiele
Laut einer aktuellen Studie der Leuphana Universität Lüneburg und der Universität Hohenheim spielen Grundschulkinder, die durch aggressives Verhalten auffallen, deutlich lieber als ihre Klassenkameraden Computer- oder Videospiele mit brutalen Inhalten. Hinzu kommt, dass sich diese Vorliebe mit fortschreitendem Alter auch noch zu verfestigen scheint. 324 Dritt- und Viertklässler aus verschiedenen Stadtvierteln Berlins hatten die ForscherInnen zu ihren Lieblingsspielen befragt. Die Kinder sollten im Abstand von einem Jahr unter anderem zu ihren Spielgewohnheiten Auskunft geben. Außerdem sollten sie Mitschüler benennen, die aus ihrer Sicht durch Schimpfworte oder durch Handgreiflichkeiten wie Hauen oder Schubsen auffallen. Zu diesem Punkt befragten die Wissenschaftler auch die jeweiligen Klassenlehrer.
*Dritt- und Viertklässler probieren viele Spielgenres aus*
Ein Ergebnis: Computer- und Videospiele stehen schon bei Grundschulkindern hoch im Kurs. 91 Prozent der Acht- bis Zwölfjährigen gaben bei der Erstbefragung zumindest ein digitales Lieblingsspiel an. Bei der Zweitbefragung ein Jahr später standen dann häufig ganz andere Spiele an der Spitze. „Die meisten Kinder probieren anfangs unterschiedliche Angebote aus und entwickeln erst mit der Zeit eine ausgeprägte Vorliebe für ein Spiel oder ein Spielegenre“, erklärt die Studienleiterin Professor Dr. Maria von Salisch von der Leuphana Universität Lüneburg.
Ein zweiter wichtiger Punkt: Der Spielemix aggressiver Mädchen und Jungen ist gewalthaltiger als der ihrer Klassenkameraden. „Die weniger aggressiven Klassenkameraden probieren zwar auch gewalthaltige Spiele aus, entwickeln aber seltener eine Präferenz für dieses Genre“, erläutert Jens Vogelgesang von der Universität Hohenheim.
*Gewalthaltige Spiele scheinen Aggressivität bei Kindern nicht zu fördern...*
Die ForscherInnen warnten auch davor, dass bei aggressiven Kindern das Risiko bestehe, dass sich ihre Vorliebe für brutale und blutige Bildschirmspiele mit der Zeit verfestigt. Allerdings könne man daraus nicht den Umkehrschluss ziehen: Die WissenschaftlerInnen konnten keine Belege dafür finden, dass sich das Spielen der gewalthaltigen Spiele auf die Aggressivität der Grundschulkinder auswirkt. „Das ist die medienpädagogisch gute Nachricht unserer Studie“, resümiert Jens Vogelgesang. „Allerdings gilt das ausdrücklich nur für die von uns erstmals in einer Wirkungsstudie untersuchte Altersgruppe der Acht- bis Zwölfjährigen.“
*... bei Jugendlichen gibt es aber keine Entwarnung*
Bei älteren Jugendlichen sind negative Auswirkungen brutaler Bildschirmspiele auf das Verhalten dagegen sehr wohl belegt. Die Entwicklungspsychologin Maria von Salisch möchte denn auch keine Entwarnung geben: „Wir können nicht ausschließen, dass eine verfestigte Vorliebe für gewalthaltige Bildschirmspiele nicht vielleicht doch im Laufe einer Spielerkarriere zu einer größeren Gewaltbereitschaft führen kann.“
Die Studie ist in der renommierten Zeitschrift „Media Psychology“ erschienen.
Stand: 10. Oktober 2011