Ein Junge, ein Wort – ein Mädchen, ein Wörterbuch?
Studie: Bei der frühkindlichen Sprachentwicklung zeigen sich Unterschiede im männlichen und weiblichen Gehirn
Frauen reden vieeel mehr als Männer… wer kennt das Klischee nicht? Inzwischen weiß aber wohl jeder (außer vielleicht Mario Barth), dass das so nicht stimmt, weil man weder alle Frauen noch alle Männer über einen Kamm scheren kann. Es gibt sowohl männliche Quasselstrippen als auch weibliche „stille Wasser“. In Wissenschaftskreisen ist das Thema allerdings umstritten: Es gibt Studien, denen zufolge Frauen mehr reden als Männer, die meisten kamen aber zu dem Schluss, dass es keinen eindeutigen Unterschied gibt. Bei einer Untersuchung aus dem Jahr 2007 zeigte sich z.B., dass alle Probanden pro Tag rund 16.000 Wörter in den Mund nahmen – eine ganze Menge, unabhängig vom Geschlecht.
Bei Erwachsenen scheint es also eher keine Unterschiede zwischen Männern und Frauen zu geben, was das Sprechen angeht. Allerdings ist auch wissenschaftlich belegt, dass es bei Kindern anders aussieht: Mädchen fangen durchschnittlich tatsächlich früher an zu sprechen als Jungen, ihre Sprache ist dann außerdem komplexer. Eine Forschergruppe der University of Maryland School of Medicine wollte nun herausfinden, ob sich diese unterschiedliche Sprachentwicklung auch im Gehirn zeigt.
*Geschlechtsunterschiede bei Ratten*
Die Wissenschaftler wussten, dass ein bestimmtes Protein bei der Entwicklung von stimmlicher Kommunikation eine wichtige Rolle spielt. Deshalb untersuchten sie bei 4 Tage alte Ratten die Menge dieses Proteins im Gehirn. Denn sollte es geschlechtsabhängige Unterschiede in der Entwicklung geben, müsste sich wahrscheinlich auch bei dem Protein ein Unterschied zeigen. Und tatsächlich: Bei männlichen Jungtieren kam es in entsprechenden Bereichen des Gehirns in größerer Menge vor als bei Weibchen - und Männchen riefen mehr nach ihren Geschwistern und Müttern. Außerdem nutzten sie dabei auch eine andere Tonhöhe als Weibchen. Als die Forscher die Menge des Proteins in den weiblichen Tieren künstlich erhöhten, riefen diese plötzlich auch häufiger und in anderer Tonlage. Offenbar gibt es bei der Entwicklung ihrer "Sprache" also geschlechtsspezifische Unterschiede, die man an der Proteinmenge im Gehirn erkennen kann.
Aber ist das auch bei Menschen so? Dann müssten ja - anders als bei den Ratten - Mädchen eine größere Menge von dem Protein aufweisen als Jungen.
*Von Ratten und Menschen*
Es stellte sich natürlich die Frage, ob sich die Erkenntnis, dass die geschlechtsspezifische Entwicklung tatsächlich mit dem Protein zusammenhängt, einfach 1:1 auf Menschen übertragen lässt. Mensch und Ratte sind sich zwar erstaunlich ähnlich, aber ein paar Unterschiede gibt es ja doch. ;-) Daher untersuchten die Wissenschaftler probeweise eine kleine Gruppe vierjähriger Kinder. Und stellten tatsächlich auch bei ihnen einen Unterschied fest: Die Menge des Proteins war in einem Hirnbereich, bei dem davon ausgegangen wird, dass er für Sprache zuständig ist, bei Jungen deutlich niedriger war als bei Mädchen. Der schon früher beobachtete Unterschied – Mädchen sind, zumindest während der Phase der Sprachentwicklung, kommunikativer als Jungen – zeigte sich also auch im Gehirn.
Natürlich sind diese Ergebnisse noch nicht wahnsinnig aussagekräftig – dazu bräuchte es erstmal eine groß angelegte Studie mit Kindern, auch ein Vergleich mit anderen Altersgruppen wäre interessant. Aber es zeigt sich doch, dass es zumindest bei kleinen Kindern einen eindeutigen Unterschied zwischen den Geschlechtern gibt, was die Sprache angeht. Nur auf Kleinkinder bezogen hätte das Klischee also einen wahren Kern… ;-)
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Autorin / Autor: Redaktion / Pressemitteilung - Stand: 22. Februar 2013